28 Aug Was ist EPCIS?
EPCIS steht für „Electronic Product Code Information Services“. Dieser frei zugängliche Datenstandard ermöglicht es Unternehmen, verschiedene Prozessereignisse detailliert zu erfassen und zu teilen. Aus den erfassten Ereignisdaten können Händler beispielsweise ihre Lieferprozesse optimieren oder Herausforderungen entlang ihrer Lieferkette besser identifizieren.
Die gemeinnützige Handelsorganisation GS1 entwickelte den Standard, und GS1 Germany verwaltet ihn in Deutschland.
EPCIS erfasst Ereignisdaten entlang einer Supply Chain (Lieferkette) für interne Zwecke. Unternehmen tauschen diese Daten aber auch mit ihren Handelspartnern aus. Der Standard ermöglicht also die detaillierte Aufzeichnung und den Austausch von Prozessen, die sich auf physische oder digitale Objekte beziehen.
EPCIS gilt häufig als Standard für „Sichtbarkeitsdaten“. Diese Daten zeigen den Status, die Bewegung und die Position von Objekten in der Lieferkette. Die Daten umfassen sowohl Transaktionsdaten zu Geschäftsvorgängen wie Bestellungen oder Lieferungen, als auch Ereignisdaten zu Prozessen wie dem Versand oder der Lagerung von Produkten. Solche Sichtbarkeitsdaten helfen Unternehmen, Transparenz entlang der gesamten Lieferkette zu schaffen.
Viele verschiedene Branchen setzen EPCIS international ein. Der Standard unterstützt die beiden Dateiformate XML und JSON.
Welche Ereignisse werden im EPCIS-Standard erfasst?
Ein zentraler Begriff im EPCIS-Standard sind „Events“ (Ereignisse). Diese dokumentieren den Status, die Bewegung und andere wichtige Details von Objekten in der Lieferkette. Die Dimensionen beschreiben die Ereignisse und verdeutlichen ihren Kontext:
- Was: Identifiziert das Objekt oder die Objekte, auf die sich das Ereignis bezieht.
- Wann: Erfasst das Datum und die Uhrzeit des Ereignisses.
- Wo: Gibt den Ort an, an dem das Ereignis stattgefunden hat.
- Warum: Erläutert den geschäftlichen Kontext des Ereignisses.
- Wie: Optional; umfasst Sensorinformationen oder andere technische Details.
Die wichtigsten Ereignistypen im EPCIS-Standard sind:
- AggregationEvent: Erfasst die physische Zusammenführung oder Trennung von Objekten. Beispiel: Mitarbeiter führen mehrere Artikel auf einer Palette zusammen. Dieses Ereignis erfasst die Dimensionen „Was“ (zusammengeführte Artikel), „Wo“ (Ort der Aggregation), „Wann“ (Zeitpunkt) und „Warum“ (Zweck).
- CommissionEvent: Dokumentiert die Erstellung oder das Inverkehrbringen eines Objekts. Beispiel: Ein Unternehmen weist Seriennummern neuen Produkten zu. Dieses Ereignis erfasst „Was“ (neue Produkte), „Wo“ (Produktionsort), „Wann“ (Zeitpunkt) und „Warum“ (Inbetriebnahme).
- DecommissionEvent: Erfasst die Stilllegung oder den Ausschluss eines Objekts aus der Lieferkette. Beispiel: Ein Produkt, das nicht den Qualitätsstandards entspricht, wird aussortiert. Dieses Ereignis erfasst „Was“ (betroffenes Produkt), „Wo“ (Standort der Aussortierung), „Wann“ (Zeitpunkt) und „Warum“ (Nichtkonformität).
- DisaggregationEvent: Dokumentiert die Trennung von zuvor aggregierten Objekten. Beispiel: Ein Unternehmen teilt eine Lieferung auf mehrere Lagerstandorte auf. Dieses Ereignis erfasst „Was“ (geteilte Objekte), „Wo“ (Standorte), „Wann“ (Zeitpunkt) und „Warum“ (Neuverteilung).
- ObservationEvent: Beschreibt die Beobachtung oder Überprüfung eines Objekts ohne direkte Änderung. Beispiel: Eine Qualitätskontrolle misst die Temperatur von Produkten. Dieses Ereignis erfasst „Was“ (Produkt), „Wo“ (Kontrollort), „Wann“ (Zeitpunkt) und „Warum“ (Qualitätsprüfung).
- TransformationEvent: Beschreibt die Umwandlung eines oder mehrerer Objekte in ein neues Objekt. Beispiel: Arbeiter verarbeiten Rohstoffe zu einem fertigen Produkt. Hierbei wird „Was“ (Rohstoffe und Endprodukt), „Wo“ (Produktionsort), „Wann“ (Zeitpunkt) und „Warum“ (Produktionsprozess) erfasst.
Wie erfasst das EPCIS-Format ein Event?
Technologien und Systeme erfassen ein Event im EPCIS-Format in mehreren Schritten. Hier ein typischer Ablauf dieser Schritte:
- Datenerfassung mit IoT-Geräten und Scannern:
- Mitarbeiter oder automatische Systeme versehen Produkte mit RFID-Tags oder Barcodes. RFID-Tags (Radio-Frequency Identification) sind kleine elektronische Chips, die Informationen über ein Produkt drahtlos speichern und per Funk ausgelesen werden. Beim Verpacken auf einer Palette scannen Mitarbeiter oder automatische Systeme die Barcodes oder lesen die RFID-Tags der Produkte und der Palette. Datenübertragung an Middleware oder IoT-Plattform:
- Datenübertragung an Middleware oder IoT-Plattform:
- Systeme übertragen die erfassten Daten (z.B. EPCs der Produkte und der Palette) an eine Middleware oder IoT-Plattform. IoT-Plattformen vernetzen IoT-Geräte wie Sensoren und Scanner. Sie verarbeiten die gesammelten Daten und stellen sie für Anwendungen bereit.
- Transformation in EPCIS-Format:
- Die Middleware transformiert die Daten ins EPCIS-Format und erstellt ein Aggregation Event mit folgenden Elementen:
- Was: Die EPCs der Produkte (childEPCs) und der Palette (parentID).
- Wo: Der Ort des Scanvorgangs (readPoint).
- Wann: Der Zeitpunkt des Scanvorgangs (eventTime).
- Warum: Der Geschäftskontext, z.B. Verpacken der Produkte (bizStep).
- Wie: Sensorbasierte Informationen, z.B. Temperaturmessungen, wenn ein Schwellenwert überschritten wird (sensorElement -> sensorReport).
- Die Middleware transformiert die Daten ins EPCIS-Format und erstellt ein Aggregation Event mit folgenden Elementen:
- Integration in EPCIS:
- Eine API oder EDI überträgt die transformierten Daten an ein EPCIS-Repository, eine spezialisierte Datenbank, die Ereignisdaten speichert und bereitstellt.
- Abruf und Nutzung der Daten:
- ERP- oder WMS-Systeme rufen die Ereignisdaten aus dem EPCIS-Repository ab, um Bestände zu aktualisieren, Berichte zu erstellen oder die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen. ERP-Systeme sind integrierte Softwarelösungen, die Geschäftsprozesse wie Buchhaltung, Beschaffung und Produktionsplanung unterstützen. WMS-Systeme sind spezialisierte Softwarelösungen für die Verwaltung und Optimierung von Lagerbeständen und Lagerprozessen.
Wie ist das Austauschformat EPCIS technisch strukturiert?
Die Anzahl und Art der Ereignisse bestimmen die XML-/JSON-Dateigrößen. Oft fassen Unternehmen mehrere Ereignisse in einer Datei zusammen, um den Überblick zu behalten. Die Felder unterscheiden sich je nach Eventtyp. Die Werte der XML-/JSON-Elemente können in verschiedenen Sprachen angegeben werden, während die technischen Elemente immer auf Englisch bleiben.
Die folgende Struktur einer EPCIS-XML-Datei zeigt ein „Aggregation Event“. Wenn ein Unternehmen Saftflaschen auf eine Palette packt, erhält jede Flasche eine Identifikationsnummer (z.B. RFID-Tag). Beim Verpacken erfasst das System die Identifikationsnummern der Flaschen und der Palette in einem Aggregation Event, um nachzuvollziehen, welche Produkte sich auf der Palette befinden.
Die folgenden XML-Elemente kommen in verschiedenen Eventtypen vor und bilden die Grundlage jeder EPCIS-Datei:
- EPCISBody: Enthält den Hauptinhalt, einschließlich der erfassten Ereignisse.
- EventList: Listet alle Ereignisse auf.
- eventTime: Gibt den Zeitpunkt des Ereignisses an, z.B. „08.06.2013T14:58:56.591Z“.
- eventTimeZoneOffset: Gibt die Zeitzonenverschiebung gegenüber UTC an.
- action: Beschreibt die durchgeführte Aktion, z.B. „OBSERVE“.
- bizStep: Beschreibt den Geschäftsschritt, z.B. „receiving“ (Wareneingang).
- disposition: Beschreibt den Zustand des Objekts nach dem Ereignis, z.B. „in_progress“ (in Bearbeitung).
- readPoint: Erfasst den Ort des Ereignisses.
- bizLocation: Gibt den Geschäftsort des Ereignisses an.
Hier ein paar Aggregation Event-spezifische Felder:
- AggregationEvent: Erfasst die Zusammenführung von Objekten.
- parentID: Identifiziert das übergeordnete Objekt, z.B. die Palette.
- childEPCs: Identifiziert die untergeordneten Objekte, z.B. die Saftflaschen.
- childQuantityList: Listet Mengen von untergeordneten Objekten auf.
- quantityElement: Erfasst Einträge in der Liste der Mengen untergeordneter Objekte.
- epcClass: Bestimmt die Klasse der untergeordneten Objekte.
- quantity: Gibt die Menge der untergeordneten Objekte an.
- uom: Definiert die Maßeinheit, z.B. „KGM“ für Kilogramm.
- extension: Bietet Erweiterungsfelder für zusätzliche Informationen.
Zusätzlich ergänzt der Core Business Vocabulary (CBV) Standard EPCIS, indem er standardisierte Begriffe für eine konsistente und interoperable Datenstruktur bereitstellt.
Was ist das Core Business Vocabulary (CBV)?
Neben EPCIS und vielen anderen Standards (z.B. GPC) hat GS1 auch den CBV-Standard entwickelt. Das Core Business Vocabulary (CBV) wird ausschließlich im Zusammenhang mit EPCIS verwendet. Während EPCIS die Struktur und Art der zu erfassenden Daten definiert, stellt der Datenstandard CBV sicher, dass die in diesen Daten verwendeten Begriffe standardisiert und einheitlich sind. EPCIS und CBV arbeiten immer zusammen, um eine konsistente und interoperable Datenerfassung und -verarbeitung zu gewährleisten.
CBV legt standardisierte Begriffe fest, die Unternehmen in mehreren Dimensionen von EPCIS-Events einsetzen, insbesondere in den Bereichen ‚Why‘ (Warum), ‚What‘ (Was) und ‚Where‘ (Wo). Diese Begriffe gewährleisten die Konsistenz und Interoperabilität von Daten über verschiedene Systeme hinweg. Wichtige CBV-Elemente sind unter anderem:
- bizStep: Beschreibt den Geschäftsschritt, in dem sich ein Objekt befindet, wie „receiving“ (Empfang) oder „shipping“ (Versand).
- disposition: Definiert den Zustand eines Objekts nach einem Ereignis, wie „in_progress“ (in Bearbeitung) oder „completed“ (abgeschlossen).
Diese Begriffe, auch „Business Vocabulary Elements“ genannt, sind integraler Bestandteil der EPCIS-Datenstruktur. Sie stellen sicher, dass die Daten einheitlich, verständlich und für alle Teilnehmer in einer Lieferkette interpretierbar sind. CBV ergänzt EPCIS, indem es die klare Definition und Interpretation der Ereignisse sicherstellt.
Welche Versionen von CBV und EPCIS gibt es?
Es gibt bisher vier Versionen von EPCIS, wobei die aktuellste Version 2.0 im Jahr 2022 veröffentlicht wurde. Hier ein Überblick:
- EPCIS 1.0 (2007): Einführung der Basisstruktur für die Erfassung und den Austausch von Ereignisdaten.
- EPCIS 1.1 (2014): Erweiterte Unterstützung für Aggregation und Transformation von Objekten.
- EPCIS 1.2 (2016): Verbesserte Datenkonsistenz und Interoperabilität mit ERP-Systemen.
- EPCIS 2.0 (2022) integriert neue Funktionen wie die Unterstützung für Sensordaten, JSON/JSON-LD-Syntax und REST API. Diese Version ermöglicht es Unternehmen, Zertifizierungsdetails effizient zu verwalten und Sensordaten nahtlos in ihre IoT-Anwendungen zu integrieren.
GS1 führte die erste CBV-Version 1.0 im Jahr 2014 ein. Die aktuellste Version, CBV 2.0, erschien ebenfalls 2022 und bietet erweiterte Begriffe, Unterstützung für Sensordaten und Zertifizierungsdetails.
Unternehmen sollten EPCIS und CBV in kompatiblen Versionen wie EPCIS 2.0 und CBV 2.0 gemeinsam nutzen. So stellen sie sicher, dass sie die neuesten Funktionen optimal einsetzen und Kompatibilitätsprobleme vermeiden.
Welche Herausforderungen und Vorteile bietet das Datenformat EPCIS?
Unternehmen profitieren in vielerlei Hinsicht durch die Verwendung von EPCIS. Zu den größten Vorteilen des Standards gehören:
- Kosten reduzieren: Durch die standardisierte Erfassung von Prozessereignisdaten können Unternehmen effizienter arbeiten. So ermöglicht die Verfolgung von Produkten entlang der gesamten Lieferkette schnellere Rückrufaktionen in der Lebensmittelindustrie, was zu einer Reduzierung von Kosten und Risiken führt.
- Zeit sparen: Automatisierte Prozesse beschleunigen die Datenerfassung und -verarbeitung. Zum Beispiel reduziert das automatische Scannen und Verfolgen von Sendungen in der Logistik die Notwendigkeit manueller Eingaben und steigert so die Effizienz.
- Qualität steigern: Die verbesserte Datenqualität und das präzise Kühlketten-Management tragen zur Qualitätssicherung bei. Ein Beispiel ist die Echtzeit-Überwachung der Temperatur von Impfstoffen, die sicherstellt, dass sie unter optimalen Bedingungen gelagert werden.
- Neue Geschäftsmodelle: Die Echtzeit-Daten, die EPCIS bereitstellt, ermöglichen die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Ein Beispiel ist die vorausschauende Wartung von Maschinen, bei der Maschinen automatisch überwacht werden, um Wartungsbedarf frühzeitig zu erkennen und so Ausfallzeiten zu minimieren.
- Vielfältige Einsatzmöglichkeiten: EPCIS findet in vielen Bereichen Anwendung, insbesondere im B2B-Sektor. Ein wichtiges Beispiel ist die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln entlang der Lieferkette, was zur Sicherheit und Transparenz beiträgt.
Trotz der vielen Vorteile gibt es auch Herausforderungen. Die Einführung von EPCIS kann komplex erscheinen, ist jedoch oft weniger aufwändig, da nur die Schnittstelle für den Datenaustausch definiert wird. Viele Unternehmen nutzen bereits Barcode- oder RFID-Lesegeräte, die automatisch Daten erfassen. Unternehmen müssen diese Daten lediglich im Geschäftskontext verwenden, um die Geschäftsprozesse effizient zu optimieren.
Welche Rolle spielt EPCIS im Produktdatenmanagement?
EPCIS spielt eine wichtige Rolle im Produktdatenmanagement, indem es dynamische Prozessereignisdaten mit statischen Stammdaten verknüpft. Systeme wie das Global Data Synchronisation Network (GDSN) verwalten diese Stammdaten.
GDSN ist ein von GS1 entwickeltes Netzwerk, das den globalen Austausch von Stammdaten wie Produktbeschreibungen, Abmessungen und GTINs ermöglicht. Während GDSN den Fokus auf die Synchronisation dieser Stammdaten legt, konzentriert sich EPCIS, ebenfalls ein Standard von GS1, auf die Erfassung und Nachverfolgung von Ereignisdaten, die den physischen Warenfluss eines Produkts dokumentieren.
Durch die Integration von EPCIS-Daten mit anderen Systemen können Unternehmen eine umfassendere Sicht auf ihre Lieferkette gewinnen. Im eBusiness-Kontext ermöglicht EPCIS eine präzise Verfolgung und Transparenz entlang der Lieferkette. Das ist für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und die Verbesserung der Kundenbindung von Vorteil.
Schnittstellen spielen eine entscheidende Rolle, um EPCIS-Daten aus verschiedenen Quellen zu kombinieren und in bestehende IT-Systeme zu integrieren.
EPCIS und GDSN haben unterschiedliche Schwerpunkte, ergänzen sich jedoch. Gemeinsam bieten sie eine vollständige Sicht auf Produkte – von den Stammdaten bis zu den Ereignisdaten, die die physische Bewegung erfassen.
Um den EPCIS-Standard zu generieren und für die Optimierung der eigenen Prozesse zu verwenden, nutzen viele Unternehmen bestimmte Softwarelösungen. Eine praktische Möglichkeit dafür ist das Data-Syndication-Tool „CatalogExpress“. Diese SaaS-Lösung kann verschiedene Austauschformate generieren (darunter zum Beispiel auch einen ETIM BMEcat). CatalogExpress kombiniert Daten aus PIM-Systemen und relevante Informationen aus anderen Datenquellen (z. B. ERP-Systeme und einzelne Excel-Listen). Es optimiert diese und stellt sie anschließend in verschiedenen Datenformaten automatisiert für Datenempfänger wie Marktplätze oder B2B-Kunden bereit. CatalogExpress nutzt diverse Connectoren, darunter API-Schnittstellen, um Quelldaten aus einzelnen Dateien sowie PIM-/ERP-/DAM-/MDM-Systemen zu laden und anschließend gebündelt zu optimieren und bereitzustellen.
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